"So ganz spontan erinnere ich mich an
mindestens drei Bäckereien, die es
früher einmal in unserem Viertel gege-
ben hat: Ecke Dorothea-/Goethestraße,
Ecke Kistner-/Goethestraße und im
Abschnitt der Körnerstraße zwischen
der Kistner- und der Adolfstraße.
Und darüber will ich jetzt mal etwas
plaudern. Über das Geheimnis der Zeit
der echten Brötchen. Frühstücksbröt-
chen. Es gibt noch einige die bezeugen
können, dass es wahr ist: Damals, so
ungefähr vor 40 bis 50 Jahren, wurden
Brötchen frühmorgens aus echtem
frischen Teig, frisch gebacken. Ja! - Es
wurden keine Teiglinge aus der Kühl-
truhe genommen und in der Mikrowelle
gewärmt. Die wurden echt in der Frühe
von echten Bäckern gebacken - und ein
Duft lag über der Backstube und der
Nachbarschaft - Mmmmhhh.
Vor langer Zeit - es ist wirklich lange
her, aber es gibt noch Zeugen, die sich
an sie erinnern, und in alten Filmen
kann man sie noch sehen: Die Bäcker-
burschen ... - also vor vielen Jahren
wurden die Brötchen morgens früh vom
Bäckerburschen im Beutel an die Klinke
der Haustür gehängt oder in einer Tüte
an die Wohnungstür gestellt ... - oft
neben die Milchflasche, die der Milch-
mann, ebenfalls in aller Frühe, dort
schon deponiert hatte. Das nannte man
Kundendienst. Dass es so etwas heute
nicht mehr gibt, sagt mehr aus über
unsere Lebensqualität, wie die Anzahl
der Klingeltöne die man auf's Handy
'runterladen kann. Ja, und diese Bröt-
chen hatten eine Konsistenz und einen
Geschmack die man mit dem heutigen
Vokabular gar nicht mehr beschreiben
kann. - Sie waren 'rösch'."
Die Geschichte von den Bäckerbur-
schen ist eine der vielen Geschichten,
die Hans-Richard Wenzel über das
Leher Goethe-Quartier zu erzählen
wusste. Dabei war sein Blick aber nie
ausschließich in die Vergangenheit
gerichtet. Er verstand es auf seine ganz
besondere Weise, seinen Zuhörern den
ständigen Wandel vor Augen zu führen,
der hier seit der Gründung des "alten
Bremerhavens" vor mehr als 150 Jahren
stattgefunden hat.
Wenn er in die Zukunft blickte, dann
setzte er dabei auf den weiteren Wandel
in "seinem Goethe-Quartier". Mit seinem
Ideenreichtum und großem persönlichen
Einsatz erreichte er es, zusammen mit
anderen Haus- und Wohnungseigen-
tümern aus dem Quartier, Grundlagen
für eine positive Entwicklung zu
schaffen. Unter anderem war der
"Altstadtrundweg" eines seiner "Babys".
Bei Führungen entlang des Rundwegs
zog er mit seinen Erzählungen Men-
schen in den Bann, denen das Leher
Gründerzeitviertel bis dahin nur von den
negativen Schlagzeilen der Sensations-
presse "bekannt" war. Im Verlauf solcher
Spaziergänge durch das Goethe-Quar-
tier hat man oft diese "Aha-Effekte" bei
den Teilnehmern bemerken können,
wenn ihnen bewusst wurde, worin die
Ursachen für einige der Entwicklungen
liegen, deren Ergebnisse heute von
Zeitungen und gelegentlich auch von
Fernsehsendern ausgeschlachtet
werden.
Das Wissen um die Zusammenhänge,
das Aufzeigen von Chancen im Zuge
zukünftiger Entwicklungen, führt bei den
Menschen, die das "Goethequartier"
bisher nicht "wirklich" kannten, zu einem
Bewusstseinswandel, der früher oder
später zu einem allgemeinen Image-
wandel und damit zu einer positiven
Entwicklung im Goethe-Quartier beitra-
gen könnte. Das ist eine der vielen
Visionen, die Hans-Richard Wenzel mit
seinem Wirken zu verwirklichen suchte.
Für die Mitglieder der ESG-Lehe völlig
unerwartet ist Hans-Richard Wenzel am
Samstag, 16. Februar 2013 plötzlich
verstorben. Er war Gründungsmitglied
der Eigentümerstandortgemeinschaft
Lehe e.V. und bis zu seinem Tode unser
erster Vorsitzender.
Mir seinem Ideenreichtum und seinem
Wissen war Hans-Richard Wenzel die
treibende Kraft unserer Gemeinschaft.
Wir führen unser gemeinsames
Vorhaben in Gedenken an seinen
unermüdlichen Einsatz für das
Goethequartier fort.